Tag 05 – Endlich mal Sonne!

20.09.2016: vom ersten großen Wechsel in der Schweiz nahe Buch nach Rheinhausen-Oberhausen

Bohlingen in der Nähe des Zeller Sees um 01.00 Uhr morgens: Zuerst ein Piepen der Armbanduhr, gefolgt von einem wild losklingelnden Teamhandy und zum Abschluss noch einem privaten Handy. Es ist soweit - Aufstehen. Es braucht ca. zwei Minuten bis alle auf den Beinen stehen und zunächst die Sitzgruppe des WoMos vom Bett zurück gebaut werden muss, um überhaupt die Fahrerkabine erreichen zu können. Der folgende Anruf von Team 3 zum Durchgeben der Wechselkoordinaten endete ohne einen Wortwechsel - eine weibliche Stimme bei einem Team nur aus Männern? Also nochmal und auch nochmal das gleiche Spiel. Um diese Zeit mehr irritierend, als witzig. Versuchen wir unseren Anruf eben bei RB 2. Hier bekommt man um diese Zeit wenigstens eine nüchtern korrekte Antwort. Die folgenden Kilometer zum Wechselpunkt sorgten für Überraschung - zunächst ein Grenzhäuschen, gefolgt von einem Zweiten. Sind wir etwa in der Schweiz? - So ist es! Gut, dass diese Posten um 1:30 Uhr nicht besetzt sind und man sie ungehindert passieren kann. Am Wechselpunkt angekommen, empfängt uns das WoMo von Team 3 und ein zufällig aufgekreuztes deutsches Polizeiauto auf schweizer Gebiet. Nach einem kurzen Wortwechsel und dem Hinweis, dass wir uns auf schweizer Gebiet befinden und uns vor den schweizer Beamten vorsehen sollten, tauchte noch Team 1 auf und es dauert nicht mehr lang bis zum großen Wechsel um 1:55 Uhr - wobei: Fehlte dafür nicht noch ein Team? Ja, der RB 2 tauchte nicht auf. Schön, dass sie uns die Koordinaten gegeben hatten, aber selbst nicht erschienen sind. Ihr Navi wollte sie nicht in die Schweiz lenken und so warteten sie nach einem Anruf einige hundert Meter weiter am Track auf deutschen Gebiet. Nachdem Ritchi zur Nachschicht auf Strecke gegangen war - !zum ersten Mal seit drei Tagen nicht bei Regen! - hatten wir nun zwei Geiseln von RB 2 in unserer Gewalt. Tom, der gerade noch auf Strecke war und Corinna, die sich als weibliche Stimme von Team 3 entpuppte und bei ihnen einfach aus Spaß mitgekommen war, um einmal das Leben von Team 3 zu begutachten. Nach dem Wechsel und der Weiterfahrt zurück auf deutsches Gebiet erkannten wir auch schon RB 2 im nächsten Ort. Dort tauschten wir zwei Teammitglieder gegen einen Radrucksack und es ging geschätzte 45 Trackkilometer weiter in ein Örtchen namens Stühlingen, um dort noch einmal ein paar Minuten Schlaf zu genießen. Schon auf der Fahrt fiel uns auf: irgendwie scheinen in diesen Gefilden zu dieser Zeit nur LKWs zu verkehren. Von Autos weit und breit keine Spur. Und so entpuppte sich der Schlafplatz auf einem Norma-Parkplatz direkt neben der Bundesstraße zwar als geeignet, wenngleich auch als laut. Dennoch kamen wir nochmal für ca. 90 Minuten zur Ruhe, bis um 5:00 Uhr der Wecker erneut klingelte. Nach dem erneuten Durchgeben der Koordinaten konnte man Goethes Zauberlehrling zitieren: "Wahrlich gut getroffen". Lediglich ein eingezäuntes Bahngleis lag zwischen uns und dem Wechselpunkt. Dies bedeutete einen Weg von 300 Metern über den nächsten Bahnübergang in die Querstraße auf der anderen Seite und so viel Zeit für Philipp wie noch nie, sich auf seine anstehende Schicht vorzubereiten: Eine große Schüssel Müsli mit Honig, ein perfekt gepackter Radrucksack, sowie die ein oder andere Fitnessübung gehörten dazu. "Die Liegestütze und Kniebeuge helfen, den Kreislauf in Schwung zu bringen und die Körpertemperatur ein wenig zu erhöhen", erklärt Philipp. Nachdem er Montag Nacht noch mit Übelkeit zu kämpfen hatte und kaum etwas gegessen hat, scheint heute wieder alles in bester Ordnung zu sein.

Parallel dazu durfte Ritchi auf seiner Schicht einige Streckenabschnitte genießen, die ihm wohl fest im Gedächtnis bleiben werden: Zusammen mit Philipp Liebs lief noch alles glatt. Der Mond schien noch so stark, dass man selbst nachts um 3:00 Uhr die Konturen der umliegenden Landschaft erkennen konnte. Nach dem Wechsel auf Thomas Weiß wurde das Höhenprofil auf einmal so wellig, dass Ritchi sogar seine Jacke auszog, um nicht zu stark zu schwitzen. Kurz vor Ende jedoch zwang ein steiler Anstieg Ritchi zum schieben, sodass Thomas mit seinen 10 km/h ihm locker davon zog. Mit durchgeschwitzem T-Shirt erreichten die beiden kurz danach den nächsten Wechselpunkt auf Franziska Karl. Die ersten 5 km verliefen problemlos auf ähnlich welligem Höhenprofil wie bei Philipp und Thomas zuvor. Plötzlich ging es jedoch in einen düsteren Wald hinein. Die ersten 50 Meter ging es steil bergab auf einem engen, zugewucherten - naja nennen wir es mal - "Weg", der so schlammig war, dass sich zwischen Schutzblech und Reifen der Hohlraum mit umliegendem Waldboden füllte. Auch der "Weg" war mittlerweile so uneben, dass Ritchi absteigen und schieben musste. Bei näherem Betrachten stellte sich heraus, dass bis jetzt vermutlich nur eine einzige große Waldmaschine durch den Wald gefahren war und seit dem die umstehenden Pflanzen die Herrschaft über den Weg übernahmen. Als endlich ein normaler Waldweg auftauchte, musste erst einmal der Schlamm zwischen Reifen und Schutzblech entfernt werden, da die hohe Reibung das Fahren unmöglich machte. Zwei Minuten später verwandelte sich der Weg jedoch wieder in eine unbefahrbare Schlammschlacht. Zusätzlich hing sich das Navigationsgerät auf, sodass das Ersatzgerät zum Einsatz kam. Beim Einschalten ließ die Meldung "Batterien schwach" schonmal nichts gutes vermuten. Da RB 2 es ja nicht rechtzeitig zum 2 Uhr-Wechsel geschafft hatte, konnte Ritchi seinen Rucksack nicht entsprechend packen und musste den auf der Strecke befindlichen von Tom übernehmen. Ersatzbatterien waren im übernommenen Rucksack leider auch keine zu finden. Nach weiteren 500 Metern Fahrrad bergab schieben, tragen, über Bäume heben und regelmäßig auf dem Schlamm ausrutschen, erreichten Franzi und Ritchi den lang ersehnten Waldrand. Die letzten 3 km drückte Franzi so nochmal aufs Gas und kam schlussendlich mit etwa 15 min Verspätung am nächsten Wechselpunkt an. Glücklicherweise hatte Team 1 noch passende Batterien für das Navi parat, sodass nach eine kleinen Pause Florian Mauersberger die letzte Etappe bewältigen konnte. Da es hauptsächlich bergab ging, konnte Flo nochmal ordentlich Zeit rauslaufen und wechselte nach 8 km und 14 km/h auf dem letzten geraden Stück auf Team 2.

Im Gegensatz zu Montag - als Philipp mit seinem dritten Platten in Folge den Heldentod gestorben ist - gibt es von heute nicht sonderlich viel zu berichten. Sehr viel Spaß hatte Philipp zusammen mit Stefan Nuß, der erneut seine BassBox im Getränkhalter des Mountainbikes installierte und die beiden auf der Strecke mit Musik versorgte. Besonders beeindruckend fand Philipp, dass Shaon entlang eines Flusses einen 13 km/h Schnitt hinlegte. Am Ende der Schicht gab es noch einen äußerst netten Plausch mit Franziska Hösel. Bilder in Aktion wurden natürlich von allen drei Läufern gemacht. Falko konnte heute leider nicht laufen, das Team RB 1 wünscht schnelle Genesung!

Die Mittagsschicht von Flo war heute von einigen Begleitern geprägt. Zunächst tauchte in Waldshut spontan Björn auf. Als Lauf-KulTourist von 2010 war er natürlich mit dem Ablauf bestens vertraut und so wurde gemeinsam auf den Wechsel von Team 2 auf Team 3 gewartet und ein wenig Erfahrungen und Geschichten ausgetauscht. Nach dem fliegenden Wechsel, welcher ziemlich pünktlich gegen 9:50 Uhr stattfand, ging es zunächst mit Sebastian Schulze aus Team 3 die ersten gemütlichen Kilometer der heutigen Schicht voran. Dabei mussten kurzzeitig zwei Streckenänderungen improvisiert werden, aber nicht vorhandene oder gesperrte Wege tauchen eben auch nach so langer Zeit noch hin und wieder auf. Nach dem teaminternen Wechsel auf Randy Legler lief Björn noch ca. 6 km mit und verlies uns nach knapp 17 Gesamtkilometern wieder, was für ihn ausreichend war, war er doch eigentlich in der Nähe von Freiburg mit seiner Familie im Urlaub. Mit dem Beginn von Thomas Seiders Schicht tauchte ein weiterer Begleiter auf. Peter vom lokalen Laufverein war über Facebook auf uns aufmerksam geworden und nutzte somit seine Mittagspause für einen gemütlichen Lauf in Gesellschaft. Für Läufer und Radbegleiter eine willkommene Abwechslung, ergab sich doch so eine läuferische Stadtführung mit Geschichten von sowohl der deutschen, als auch der schweizerischen Seite. Beispielsweise gab es auf dem Weg die längste gedeckte Holzbrücke in Bad Säckingen zu bewundern und eine Geschichte von einem Polizeiauto zu beschmunzeln, welches wegen seiner nicht angezogenen Handbremse ungewollt im Rhein baden ging und Jahre später von einem Hobbytaucher fünf Kilometer flussabwärts in neun Metern Tiefe wieder gefunden wurde. Nach dem Ende von Thomas' Schicht ging Florian Franke als letzter seines Teams auf die Strecke und wurde zusätzlich von Ritchi begleitet, der nach seiner Schicht vom Morgen spontan beschloss mal eine Etappe mitlaufen zu wollen. Kaum ist das Regenwetter vorbei, strotzen die Radbegleiter wieder vor Energie! Die ersten Kilometer verliefen noch ufernah, doch ab der Hälfte der Etappe ging es weg vom Rhein, hinauf ins anstehende Bergland rund um Lörrach. Eingestimmt wurde sich darauf mit einem Anstieg von gemütlichen 14% Steigung, welcher dafür anschließend mit einem wunderbaren Ausblick hinab zum Rhein belohnt werden sollte. Danach wieder ein kleines Stück bergab und im nächsten Dorf durch eine Eigenheimsiedlung wieder mit ordentlichen Prozenten bergauf. Noch kurz um die nächste Ecke und schon tauchten vier Wohnmobile auf. Der große 14-Uhr-Wechsel wurde somit trotz relativ gemäßigtem Tempo und trotz zwei steileren Anstiegen mit knapp zehn Minuten Vorsprung erreicht. Team 1 begann seine Tagschicht und sollte von Tamás aus RB 2 begleitet werden. In den kommenden Stunden sollte nun das Bergland um Lörrach für die Läufer anstehen, gefolgt von Freiburg am Abend. Wir als RB 1 machten uns allerdings auf zu unserem nächsten Schlafplatz ca. 120 km voraus, diesmal im Dörfchen Oberhausen, einige Kilometer flussabwärts von Freiburg und in der Nähe von Rust. Die Option, den dortigen Freizeitpark bei der Gelegenheit zu besuchen, wurde zugunsten eines entspannten Nachmittags allerdings verworfen. So wurde noch etwas gegessen und sich anschließend gegen 18:00 Uhr zur Ruhe gelegt. So zeitig wie noch nie...

Nun freuen wir uns erst einmal auf den vor uns liegenden Rhein, hoffen auf regenfreie Schichten und verbleiben bis zum nächsten Bericht mit sportlichen Grüßen.

Euer RB 1

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  1. Eure Berichte sind toll, es ist für uns die Abend-Lektüre gleich nach dem Essen. Man fiebert (und friert) so richtig mit. Nun habt ihr lt. Wetterbericht ja nur noch Sonne vor euch. Wir wünschen euch viele Begleiter zu Fuß oder mit Rad und auch mal nette Leute, wo ihr mal duschen könnt. Hoffentlich bleibt ihr alle fit und gesund um die „letzten paar km noch zu schaffen. L.g von Franzi’s (Team 1) Eltern.

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